Wie läufst du? Klar, ein Bein nach dem anderen. Das ist wohl der kleinste gemeinsame Nenner für Läuferinnen und Läufer. Alles darüber hinaus ist sehr individuell. Der heutige Beitrag beschäftigt sich mit den Blüten der Individualisierung des Laufens und versucht einen Ausweg zu zeigen aus dem Hamsterrad moderner Trends.
Ihr kennt sie bestimmt alle, vielleicht gehören einige von euch sogar zu dieser Gruppe von Läuferinnen und Läufern. Sie laufen die Prater Hauptallee auf und ab und starren dabei das Grand der Zeit auf Ihre Handgelenke. Denn dort thronen sie: die Uhren von Polar, Garmin und anderen Herstellern. Geräte, die für einen Burschen aus dem fernen Niederbayern, wirken wie Zauberei. Denn sie können wirklich alles: Pulsdiagramme darstellen, Strecken via GPS aufzeichnen, Kilometerzeiten angeben, Höhendifferenzen berechnen. Manchen ‚sagen’ sie sogar im Alltag man möge nicht so ein Faulpelz sein und solle sich vom Bürostuhl erheben, um sich die Beine zu vertreten. Ich finde diese Geräte faszinierend und beängstigend zugleich. Sie vermögen es durch technische Finesse Menschen zur Bewegung zu motivieren. Wenn ich überlege, dass ich seit Jahren meine Familie wortreich zu mehr Sport zu bewegen versuche, erwächst in mir gar der Neid auf die kleinen Apparate. Insofern erfüllen sie ihren Zweck. Auch machen sie vergleichbar und stellen ein erfolgreiches Training in den Fokus. Erfolg und Effizienz, die Mantras der modernen Welt. Wir wollen fit, schön und stark sein, dabei möglichst wenig Zeit für die Bewegung aufwenden, denn wir haben ja noch etwas anderes zu tun. Ein erfolgreicher Geist schlummert nicht in einem reglosen Körper. So beißen wir im Büro einerseits und auf der Hauptallee andererseits für unsere Karriere. Die Sportuhren sind das Metronom dieses Strebens.
Und genau darin liegt für mich der beängstigende Aspekt dieser Geräte. Sie sind ein Symbol für eine Entwicklung hin zu hundertprozentiger Effizienz und machen uns so zu ‚Sklaven’ der Moderne. Schneller, weiter, schau nicht nach links, nicht nach rechts, schau nur auf dich selbst.
Dabei gibt es gerade beim Laufen so viel zu entdecken. Nur kurz von der Hauptallee nach links oder rechts abgebogen findest du Natur pur. Die Wege sind verworren und verzweigen in vielerlei Richtungen, genaues Tracking wird hier in den Wäldern schwierig. Und gerade hier spürst du es. Du atmest ein und du atmest aus und spürst Freiheit. Denn genau das kann Laufen auch sein: ein Ausbruch aus dem Hamsterrad hinein in die Natur. Ein Weg zurück zum Ursprung. Dabei geht es nicht darum moderne Technik und Produkte des menschlichen Fortschritts generell abzulehnen. Vielmehr ist es wichtig bei all diesen Entwicklungen unsere Umgebung nicht außer Acht zu lassen. Wir sind schließlich alle ein Teil der Natur, wodurch sich unsere Verantwortung dafür von selbst ergibt. Durch die Betrachtung des Großen und Ganzen können wir Antworten auf die vielschichtigen Probleme finden, die es künftig für uns zu lösen gilt. Und diese gesamtheitliche Betrachtung gelingt nur, wenn wir uns selbst auch wieder als essentiellen Teil des Gesamten wahrnehmen. Laufen in der Natur ohne externe Taktgeber schärft diese Wahrnehmung. Deswegen: Bieg’ einfach mal ab, der Nase nach, ein Bein nach dem anderen und lass’ die Szenerie auf dich wirken!
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